Übungen

Aus „Buddhas Anleitung zum Glücklichsein“

von Marie Mannschatz

Umgang mit den „5 Hindernissen“:  Zweifel, Unruhe, Trägheit, Verlangen und Widerwille

Gräfe und Unzer-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-8338-0250-8


Zum Zweifel: Vertrauen entwickeln

Zweifel ernährt sich von Gedanken/Meinungen, die nicht miteinander in Übereinstimmung zu bringen sind
  • Körper spüren: Wer sein Vom-Zweifel-Gelähmtsein im Körper erspürt, kann sich dieser Körperempfindung bewußt zuwenden. Die beruhigende Wirkung, die davon ausgeht, gibt uns Kraft. Wir sammeln uns, indem wir unsere Körpergefühle akzeptieren, was uns im besten Fall erlaubt, einen inneren Impuls zu spüren und ihm zu folgen. So kommen wir wieder in Bewegung.
  • Gedanken lenken: Schluss mit dem Gedankenkreisen bei Entscheidungsproblemen!
Zweifelnde Gedanken erkennen, benennen und mit Nichtachtung strafen. Stattdessen: Teilen Sie die Zeitspanne, die Ihnen bleibt, bis Sie Ihre Entscheidung endgültig gefällt haben müssen. Stellen Sie sich vor, Sie fällen eine Entscheidung, gleich in welcher Richtung, und Sie versuchen nun, die erste Hälfte der Zeit mit dieser Entscheidung zu leben. Spüren Sie dabei Ihre inneren Widerstände. Wenn Sie nach Ablauf der ersten Zeitspanne den Eindruck haben, dass Sie nicht mit der gewählten Entscheidung leben können, ändern Sie die Richtung. Leben Sie nun die zweite Hälfte der Zeit mit der andern Entscheidung, um genau zu spüren, wie sich das im Körper anfühlt. Klarheit gewinnen Sie aber nur, wenn Sie nicht mehr an die andere Entschei-dungsmöglichkeit denken, was einige Disziplin erfordert.
  • Vertrauen erforschen: Erinnern Sie sich an eine Situation in Ihrem Leben, in der Sie großes Selbstvertrauen gespürt haben. Was stärkt Ihr Selbstvertrauen, was mindert es? Was brauchen Sie, um andern Menschen zu vertrauen? Was mindert Ihr Ver-trauen in andere Menschen?
  • Zusammenhang zwischen Absicht und Vertrauen: Wenn Sie den Unterschied zwischen angemessenem, gesunden (hat glückliche Folgen) und unangemessenem, ge-nusssüchtigem und böswilligen Handeln (hat unglückliche Folgen) kennen und sich trotzdem (um eines möglichen kurzfristigen Vorteils willen) für das zweite entscheiden, so untergraben Sie damit Ihr Vertrauen zu sich selbst. Wir müssen lernen, uns zu fragen, was wir mit unserem Verhalten erreichen wollen, noch bevor wir es in die Tat umsetzen! Vertrauen und Achtung vor sich selbst entstehen dadurch, dass Sie in Übereinstimmung mit Ihrem innersten Wissen handeln und dafür auch bereit sind, ein Risiko in Kauf zu nehmen.
  • Enge (Angst) nährt Zweifel, Raum schafft Akzeptanz: Wer sich im Mögen und Nicht-Mögen verstrickt, nährt den Zweifel. Weder FÜR noch GEGEN etwas zu sein, hilft dem Vertrauen. Das ABER durch ein UND ersetzen. Integrierende Lösungen suchen. Trennungs-Energie meiden.                                                                                                                                                                                                     

Zur Unruhe: Inseln der Ruhe im Alltag finden

Unruhe verdeckt Gefühle, mit denen wir noch nicht im Reinen sind. Impuls und Gegenimpuls blockieren einander im inneren Raum und ergeben gleichzeitig ein Gefühl der Getriebenheit
  • (Zeit-)Stress ist keine Erfindung unserer Epoche! Ursache dafür vielmehr: unter dem Einfluss begehrender Triebkräfte (Verlangen nach angenehmen Erfahrungen/Abwehr gegen Unangenehmes) werden unsere Wahrnehmungsprozesse beschleunigt und aufgewühlt. Je mehr sich Wünsche und Widerstände in uns aufbauen, desto unruhiger werden wir. Der Drang, etwas zu tun, verselbständigt sich.
  • Hauptgefahr und beliebte Methode: Ablenkung! Wir nehmen die Aufmerksamkeit von einem unangenehmen Gefühl fort, suchen interessantere Reize und wundern uns, wenn sich auf einmal in allen Erfahrungen ein vages Gefühl von Getriebensein zeigt. Ablenkung aber regt in der Regel die Sinne weiter an, überreizt sie. Wichtig ist, den Zusammenhang von Unruhe und Überreizung zu durchschauen.
  • Raum für Selbstwahrnehmung: Hindernis erkennen, ausgleichen, loslassen:
Unruhe zeigt sich bei mir durch…  Ich werde unruhig, wenn ich…  Wenn ich unruhig bin, dann…
  • Bei Eile/Zeitnot: Aufmerksamkeit beim schnellen Gehen in die Füße lenken und den Boden klar spüren. Dann innerlich in meiner Haut zurücklehnen und mit meiner Aufmerksamkeit von innen her an meinen Rücken anschmiegen.
  • Verlocken zum Ankommen, Verweilen, Rasten. Rituale und Orte der Ruhe und Besinnung finden. Enge bringt Unruhe, Raum bringt Ruhe
  • Bewusstes Ausatmen (jederzeit möglich!), zwei bis drei extra lange Züge, bis die Lungen vollständig leer sind.
  • Für eine Tasse Tee: sich fünf Minuten hinsetzen, gar nichts tun, nur eben innezuhal-ten, bewusst zu hören, zu riechen und zu schmecken.
  • Gegengewicht zur Unruhe: Geduld und Zielstrebigkeit entwickeln. Japan. Sprichwort:“Die Geduld nicht verlieren, auch wenn es unmöglich erscheint, das ist Geduld!“. Machen Sie sich eine Liste mit den Situationen, die ihre Geduld im Alltag fordern. Überlegen Sie, welcher Person (oder welchem Gerät, z.B. Ihrem Computer!) Sie dankbar sein möchten dafür, dass sie sie als Objekt für Ihre Geduldsübungen nehmen. Immer nur auf eine Aufgabe konzentrieren! Üben Sie, bewusst bei einer Sache zu bleiben, sie nicht mittendrin abzubrechen, sondern sie zu Ende zu bringen. Diese Zentrierung des Unruhegeistes kann man sogar beim Fernsehen üben: nicht zappen, nur bestimmte, vorher ausgewählte Sendungen anschauen, einen Tag pro Woche fernsehfrei oder täglich eine Stunde weniger.
  • Hauptheilmittel: Angenehmes Verweilen, d.h. eine Nische finden, wo der unruhige Geist sich setzen und wohlfühlen kann. Kann vielerlei bedeuten, muss jeder für sich selbst herausfinden: Musik, Lesen, etwas Anschauen, Kreuzworträtsel, Gartenarbeit, Aquarium, Badewanne, Singen, Meditation, Yoga…

Zur Trägheit: Begeisterung wecken

Trägheit ist ein Zustand, in dem wir in Gewohnheiten versinken und uns vor allem Neuen fürchten. Es wird keine Ursache für eine neue Bewegungsrichtung geschaffen, nichts verändert sich. Trägheit vermeidet Berührung, die eine Veränderung auslösen könnte. Auf der Gefühlsebene dominiert Lustlosigkeit/Trotz.
„Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht, sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.“ (Seneca)
  • Aufspüren, wie sich bei uns persönlich Trägheit bemerkbar macht, z.B.: wir wissen nicht, was uns wirklich am Herzen liegt (hat den „Vorteil“, dass wir dann auch nicht handeln müssen), oder was grade unsere Priorität ist (es scheint immer so viel zu tun zu geben, dass wir zum „Eigentlichen“ nicht kommen). Stattdessen täglich die glei-chen Gewohnheiten (immer zur gleichen Zeit den Fernseher einschalten, egal was grade kommt, immer dieselben Nahrungsmittel einkaufen, obwohl’s nicht mehr wirklich richtig schmeckt). Nicht „Nein“ Sagen können, Auseinandersetzungen ver-meiden, die Veränderungen bringen könnten. Häufiges Empfinden von Gleichgül-tigkeit und innerer Abwesenheit.
  • Gegengewichte bilden, indem Sie  1. mit Hilfe der Anschubenergie Ihre Energie auf ein Ziel ausrichten und ein Vorangehen in kleinen Schritten planen. Das Ziel sollte Ihnen Freude machen oder wertvoll erscheinen, etwas sein, das Sie aus dem Sessel lockt („Energie folgt der Aufmerksamkeit!“). Machen Sie sich eine Liste von 10 Aktivitäten und Dingen, die Ihren Energiehaushalt gegenwärtig stärken, aufbauen, näh-ren können. Achten Sie dabei auf die kleinen Dinge im Alltag! Mit Hilfe der Befreiungskraft und von Ihnen selbst definierte Zwischenschritten (ev. mit Belohnung verbunden) erhalten Sie 2. das Gefühl, dass das Ziel erreichbar ist. Die Kunst liegt darin, sich Ziele zu stecken, die grade für einen Tag reichen, damit Sie abends mit Zufrie-denheit sagen können: „Geschafft!“. Angesichts unerwarteter Hindernisse brauchen wir 3. Geduld und Durchhaltevermögen, wobei uns Inspiration und Aufmunterung gut tun Bitten Sie einen Freund, Sie bei Ihrem Vorhaben zu ermutigen und alle not-wendigen Schritte mit Ihnen durchzusprechen.
  • Durch die Freude darüber, dass Sie die gestellte Aufgabe bewältigt haben, wächst Ihr Energiepotential und kann wiederum in die nächste Aufgabe einfließen. Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten festigt sich, weil Sie die Erfahrung machen: „Ich bewege mich. Unter meiner Regie geschehen Dinge, auf die ich stolz sein kann!“. Energie wächst mit sinnvollem Tun.
  • Jetzt aufgepasst! Bei allem, was Sie sich jetzt vielleicht vornehmen, wissen Sie hoffentlich auch, wann Ihre Grenze erreicht ist, Sie sich ausruhen, ein entspannendes Päuschen einlegen sollten und sich über einen erreichten Zwischenschritt ganz bewusst freuen. Wenn Sie (auch bei einem sinnvollen Vorhaben!)aus dem Tunmüssen gar nicht mehr herauskommen, dann folgen Sie nämlich dem „Pfad der verrückten Tugend“, wie die Tibeter sagen.                                                                                                                                                                                                           

Zu Unersättliches Verlangen: Gleichgewicht wahren

Ohne Verlangen (Lebensdurst und Sinneslust) würden wir gar nicht existieren. Weil Jeder von uns davon eine große Portion mitgekriegt hat, ist es in der in der buddhistischen Lehre das größte Hindernis. Es dauert an bis zum Moment der Erleuchtung. Als Geisteszustand schränkt es unsere Freiheit tiefgehend ein,  trübt unsere Wahrnehmung, verschafft uns Stress und pulverisiert jede Form von Souveränität. Wir bewegen uns darin in sehr engen Reiz-Reaktions-Mustern.
  • Die Basis des Verlangens ist die uns biologisch mitgegebene, in jedem Moment (vor allem unbewusst) stattfindende trennende Unterscheidung in Angenehmes und Unangenehmes von allem, was wir wahrnehmen/erleben. Damit sind ein Wunsch und ein Handlungsimpuls verbunden, der das Angenehme verlängern und das Unangenehme beenden möchte. Also bestimmt unser Verlangen, und nicht wir selbst, was als Nächstes geschieht. „Ich kann allem widerstehen, außer der Versuchung!“ (Oscar Wilde)
  • Die große Aufgabe besteht nun darin zu lernen, all diese spontanen Empfindungen achtsam zu erfassen, innerlich zu benennen und sie loszulassen. Dadurch werden unsere Wahrnehmungsfähigkeiten viel freier und unsere Selbst-Steuerungsmöglichkeiten viel größer, als wir es für möglich halten.
„Das Geheimnis wartet auf Augen, die nicht vom Verlangen getrübt sind“ (Tao te King)
  • Da das Verlangen die treibende Kraft in unserem Leben ist, macht es wenig Sinn, es zu verdammen. Im Gegenteil: je besser wir unsere Triebkräfte verstehen, umso eher erkennen wir, wie wir sie im Gleichgewicht halten können.
Unsere Aufgabe ist zu unterscheiden, was in unser Leben passt und was wir schon im Aufkeimen loslassen möchten. Wir entziehen der Gier die Aufmerksamkeit, wir leiten die Aufmerksamkeit um auf gesündere Formen des Verlangens: „Energie folgt der Aufmerksamkeit“ (Satz aus den asiatischen Kampfkünsten)
  • Der Hauptweg aus dem Verlangen: das Erkennen der Illusion, dass wir die Empfindung der Leere im Inneren durch eine Zufuhr von Aussen  lindern könnten (vor dem Hintergrund der Illusion der Getrenntheit von „Innen“ und „Aussen“): “Was vor uns liegt und was hinter uns liegt, ist unbedeutend, verglichen mit dem, was in uns steckt!“ (Ralph Waldo Emerson)
  • Vergänglichkeit bewußt erfahren: Buddha riet seinen Mönchen, auf Friedhöfen  und Verbrennungsstätten zu meditieren und die körperlichen Zerfalls-prozesse zu beobachten! Im Angesicht des Todes schmilzt das sinnliche Begehren auf den Wunsch zusammen, das Geschenk des Lebens möglichst umfassend zu nutzen und wertzuschätzen: Was ist uns wirklich wichtig?
  • Einfacher leben: häufiger das Auto stehen lassen und mit dem Rad fahren, im Fernsehen nur noch gezielte Sendungen anschauen, Zusammensein mit den Nächsten genießen, Verabreden mit dem Nichtstun („Reizfasten“).
  • Großzügigkeit üben: hilft gegen dieInnen-Außen-Illusion“, gegen „mein-dein“-Denken, gut für das Loslassen. Formen des Gebens: Lob, Anerkennung, Zeit, Aufmerksamkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, offenes Ohr, Schlafplatz, Massage, Auto verleihen, Essen kochen, Nachbarschaftshilfe, Spenden…    

Zu Ablehnung/Widerwillen: Akzeptanz/Mitgefühl entwickeln

Alles, was uns unangenehm ist oderSchmerzen bereitet und was wir deshalb nicht wahrhaben möchten, erregt in unserem Geist Protest, Widerwillen und Ablehnung. Jedes Lebewesen zeigt die z u n ä c h s t natürliche Reaktion: es zieht sich zusammen, verhärtet sich, leistet Widerstand, um diese Gefühle nicht spüren zu müssen. Dies erzeugt jedoch in unserem Inneren ein Gemisch von Druck und Gegendruck, der zusätzlich Stressempfinden auslöst! So verstärkt Nichthabenwollen bzw. Widerstand das Leiden.
  • In Pali (Buddhas Sprache) heißt Leiden „Dukkha“. Und obwohl die Kurzformel von Buddhas Lehre oft „Leben heißt Leiden“ genannt wird, ist es wichtig zu verstehen, dass die wörtliche Übersetzung von Dukkha „Radnabe“ heißt, in der stets auch Sand knirscht. Oft wird der Begriff auch übersetzt als „unmöglich zu erfüllen, unfähig zu befriedigen“ und weist damit darauf hin, dass das Leben nicht immer angenehm, weil immer im Wandel begriffen ist,  dass es keine Sicherheit gibt. Kein Lebenslauf vollzieht sich deswegen problemlos flüssig.
  • Deshalb sind Unangenehmes oder Schmerz (physisch oder psychisch) nichts Schlechtes oder Sinnloses, sondern ein Signal, eine Form der Kommunikation, die uns in diesem Zusammenhang auf  etwas aufmerksam machen will, was verstanden werden will. Mindestens ebenso wichtig, wie die Ursachen des Schmerzes (oder auch einfach nur das Unangenehme) zu erkunden, oder eine Antwort auf unseren Schmerz zu finden, ist deswegen: uns unsere Haltung oder unsere Beziehung zum Schmerz bewusst zu machen:
  • Da unangenehme, schwierige Gefühle die Eigenschaft haben, dass sie unser körperliches und seelisches Wohl bedrängen, da sie unberechenbar sind und uns in Richtungen lenken können, die mit unserem Verstand nicht in Einklang zu bringen sind, sie uns außerdem reizbar machen, was sich für uns wiederum bedrohlich anfühlt, ist unsere Beziehung zu ihnen v.a. dadurch geprägt, dass wir sie nicht haben wollen.
  • Das Resultat davon, dass wir etwas nicht haben wollen, was mit unserem Begehren oder unserer Identität nicht vereinbar ist,  sich uns aber gleichzeitig aufdrängt, ist Furcht. Furchtgedanken formen eine bedrohliche Vorstellung von etwas, was geschehen könnte, vielleicht weil es auch schon in früheren Zeiten passiert ist. Sie bewirkt Gedankenschleifen mit bedrohlichen Bildern, Worten, Szenen, die wir immer wieder durchspielen.
  • Aufgelöst wird Furcht – auch wenn uns das zunächst paradox oder sogar zusätzlich bedrohlich erscheint – durch das Verstehen von und das Hineinspüren in Leiden. Der erste Schritt dabei ist dabei, insofern Verantwortung zu übernehmen, als wir aufhören, die Furcht zu verdrängen, stattdessen zugeben, dass wir uns fürchten. Was wir dazu brauchen, ist Mitgefühl für uns selbst (statt der bisherigen Abwendung von dem schwierigen Gefühl und damit der Abwendung von uns selbst). Dann nehmen wir al-les Erleben im gegenwärtigen Moment im Körper wahr.
Unser Körper sagt: „Das schaffe ich nicht, das macht mir Angst!“, er sagt aber auch: „Gib mir Zeit, übe Dich in Selbst-Fürsorge.“ Das heißt, wir müssen uns Schutz geben (z.B. Zeit nehmen, nicht unter Druck handeln, um Hilfe bitten, Begleitperson wählen, Vertrag fordern).
Freude am Leben ist das beste Heilmittel für den aversiven Geist, sie ist ansteckend, beflügelt unseren Lebensgeist, ist heilsam und verwandelt Übelwollen in Wohlwol-len. Aus den quälenden Phantasien und Perfektions-Konzepten auszusteigen und ganz in das Erleben des gegenwärtigen Moments zu kommen ist mit Hilfe der Freude besonders gut möglich. Wobei wir sie bewusst einladen müssen und können in jede Alltags-Situation, sowohl durch die Lenkung unserer Aufmerksamkeit, als auch durch unser Handeln: die Fliege am Küchenfenster als mein Haustier betrachten, mit den Zimmerpflanzen lebhafte Gespräche führen, einen Kuchenteig anrühren, nur weil der Geruch in der Wohnung so herrlich ist. Auch einander Freude bereiten: einen Pralinenkasten durch die Kinoreihen gehen lassen. Auf der Haustreppe Bonbons für die Nachbarskinder platzieren, der Kassiererin ein Lächeln schenken. Warum schiebst Du das auf, was Freude macht, wenn Du nicht mal Herr über das Morgen bist? (Epikur)

Übungen zur Freude

Denken Sie eine Woche lang bei Ihrer morgendlichen Achtsamkeitsübung darüber nach, wem Sie tagsüber eine kleine Freude bereiten können.

Denken Sie vor dem Einschlafen an kleine Freuden, die Ihnen tagsüber begegnet sind, und spüren Sie die Bereicherung die Sie dadurch erfahren haben. Setzen Sie sich mit Ihrem Notizbuch hin und erinnern Sie sich an drei kleine Freuden im Alltag, die Sie kürzlich erlebt haben. Schreiben Sie sich diese Erinnerungen auf un berichten Sie jemandem von diesen Freuden.

Übungen zu Mitgefühl

Zuerst üben wir Mitgefühl für Nahestehende. Wenn jemand in Ihrem Umfeld leidet, können Sie dieser Person mit dieser Übung gute Wünsche senden. Nehmen Sie sich etwa 10 Minuten Zeit, nehmen Sie eine angenehme Haltung ein und versuchen Sie sich ganz auf die Person zu konzentrieren, der Sie gute Wünsche schicken möchten: „Möge X genügend Kraft finden, sein Leid zu tragen. Ich wünsche meinem Bruder, dass deine Schmerzen bald vorüber sind. Liebe Freundin, ich denke an Dich und spüre in meinem Herzen, wie schwer du leidest.“ Es kommt dabei darauf an, dass Sie wahrhaftige Worte finden, Worte, die Ihrem mitfühlenden Herzen entspringen.
Auch wenn Sie unterwegs sind, zu Fuß, im Auto, in öffentlichen Verkehrsmitteln – denken Sie ganz bewußt ein paar Minuten an Menschen, die Ihr Mitgefühl wachrufen: „Wie es meiner Mutter jetzt wohl gehen mag? Ob mein Neffe die schwierige Prüfung bestanden hat? Ich wünsche meiner Tochter allen Schutz, den sie braucht. Wenn Sie spüren, dass Mitgefühl sich in Ihrem Herzen regt, schauen Sie sich um. Sehen Sie Menschen, denen es offensichtlich nicht gut geht? Die alte Frau, die mit versteinertem Gesicht auf der Parkbank sitzt? Die Mutter, die vor Ihren Augen ständig an Ihrem Kind herumzerrt und es beschimpft? Sie schauen nicht weg und Sie müssen keine Lösung parat haben.

Grounding

In der Sprache der Körpertherapeuten gibt es den Begriff Grounding. Damit ist gemeint: sicher auf dem eigenen Boden stehen und diesen auch als Halt erleben. Grounding heißt auch Wurzeln schlagen, damit man nicht abhebt und vor lauter Angst kopflos wird. Je stärker ihre Körperwahrnehmung wird, desto einfacher ist der Umgang mit Furcht. Sie können das Grounding jederzeit üben. Es kann nicht zu viel vorbeugend geprobt werden, denn in Situationen akuter Angst erinnern Sie sich dann leichter daran.
Körperliches Gronding
–       Spüren Sie, egal ob Sie sitzen oder stehen, Ihre Füße auf dem Boden. Schicken Sie Ihre Aufmerksamkeit immer wieder zu ihren Fußsohlen und fühlen Sie, wie das Gewicht des Körpers durch die Füße an den Boden abgegeben werden.
–       Versuchen Sie Ihren Atem in Ihrer Vorstellung bis in die Fußsohlen zu lenken. Gehen Sie beim Ausatmen in Ihrer Vorstellung sogar noch über die Fußsohlen hinaus bis zum Mittelpunkt der Erde.
–       Entspannen sie sich dabei. Stellen Sie sich vor, Sie werden weicher und breiter, Ihr Körper wird durchlässiger, sodass die Erregung, die sich als Angst oder An-spannung manifestiert, möglichst ungehindert durch Sie hindurchfließen kann und nirgends festgehalten wird.
–       Falls Begleiterscheinungen wie Zittern, feuchte Hände, kalte Füße, Schwindel oder Herzrasen auftauchen, akzeptieren Sie diese, ohne sich dagegen aufzuleh-nen.
–       Alles, was Sie nicht haben möchten, lassen Sie in Ihrer Vorstellung in den Boden abtropfen. Ihre Knie sind dabei weich, nicht durchgedrückt.
–       Geben Sie immer wieder Ihr ganzes Gewicht vertrauensvoll an die Erde ab.
Gedankliches Grounding
Sie können sich in jeder Körperposition auf Ihre Gedanken besinnen. Probieren Sie aus, welche Abschnitte dieser Übungen Ihnen sinnvoll erscheinen – den Rest lassen Sie einfach weg.
–       Bitten Sie im Geist um Hilfe. Stellen Sie sich etwa vor, dass Sie von einem inneren Schutzgeist begleitet werden. Manchmal hilft es ein Schutzobjekt nah am Körper zu tragen. Das kann ein Handschmeichler sein, den Sie in der Hosentasche spüren können, oder ein Schal, der sich um Ihren Hals schmiegt.
–       Konzentrieren Sie sich gedanklich auf eine positive Vorstellung, statt Furchtge-danken zu nähren. Sie können sich sagen: „Ich bleibe ein wertvoller Mensch, auch wenn ich die Prüfung nicht bestehe (den Job nicht bekomme)“.
–       Versuchen Sie, Gefühle der Ohnmacht zu verwandeln in den Gedanken: „Ich habe folgende Möglichkeiten.“ Statt zu denken: „Mein Vater hat mich noch nie akzep-tiert“, sagen Sie sich: „Ich habe die Möglichkeit, auch ohne die Anerkennung mei-nes Vaters glücklich zu werden.“
–       Hören sie, welche Gedanken und Geschichten im Geist zu den Körperempfindun-gen ablaufen. Nehmen Sie die Bilder, die Sie sehen, und die Gedanken, die dazu kommen, getrennt voneinander wahr. Die Körperempfindung kann zum Beispiel ein Schweißausbruch sein, das dazugehörige Bild, wie Sie vor versammelter Mannschaft stehen und kein Wort herausbringen, der Gedanke dazu, dass Ihr Vater Sie immer ausgelacht hat, wenn Sie Ihr Weihnachtsgedicht vorgetragen haben.
–       Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Schutzbedürfnis, indem Sie definieren, was Ihnen Schutz geben kann, und suchen Sie sich diesen Schutz.
–       Üben Sie, ihre momentane Lebenssituation liebevoll anzunehmen, und erinnern Sie sich daran, dass Sie Ihre hohen Erwartungen an sich selbst jederzeit mildern können.

Tägliche Achtsamkeit

Widmen Sie die ersten Minuten nach dem Aufwachen und die letzten Minuten vor dem Einschlafen der folgenden Achtsamkeitsübung
  • Bevor Sie morgens aus dem Bett steigen, bleiben Sie einige Minuten ganz ruhig mit offenen Augen liegen und rufen Sie sich ins Bewusstsein: „Ich bin wach, ich liege noch, spüre meinen Körper, nehme mir vor, mich heute immer wieder daran zu erinnern, mit Achtsamkeit allen Erfahrungen zu begegnen.“
  • Oder Sie setzen sich auf die Bettkante, spüren die aufrechte Haltung Ihres Körpers, horchen in sich hinein und lassen die ersten Gedanken heraufziehen. Gedanken an den neuen Tag, vielleicht auch Nachklänge von Träumen der vergangenen Nacht. Wie sieht es in diesem Moment in Ihrem Körper und Geist aus, welche Gefühle herrschen vor? Nehmen Sie alle Wahrnehmungen nur zur Kenntnis, ohne etwas ändern zu wollen. Stellen Sie mit liebevoller Akzeptanz fest: So ist es jetzt.
  • Gehen Sie mit Achtsamkeit durch den Tag. Halten Sie von Zeit zu Zeit inne, erinnern Sie sich daran, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen, und versuchen Sie, die eigene Erfahrung innerlich in Worte zu fassen. Mit jeder Erfahrung, die Sie machen, verbindet sich ein Gefühl, eine Empfindung im Körper. Sie steigen Treppen hoch und empfinden eine Last auf Ihren Schultern. Sie öffnen eine Tür und Ihr Herz hüpft vor Freude. Je genauer Sie diese Eindrücke registrieren, umso besser könne Sie künftig mit Ihren Gefühlen umgehen.
  • Vor dem Einschlafen rufen Sie sich ins Bewusstsein, mit wie viel Achtsamkeit Sie da sein konnten, in welchen Momenten Sie gerne achtsamer gewesen wären und wo Sie wirklich einverstanden waren mit Ihrem eigenen Verhalten. Wie waren die Körper-empfindungen, die Gefühle und Gedanken in diesem Moment?
  • Versuchen Sie, drei Minuten am Morgen, drei Minuten am Abend und – für den Anfang – dreimal eine Minute am Tag ganz achtsam zu sein.
Achtsamkeit wird an einer andern Stelle von Mannschatz wie folgt beschrieben:
Man kann es als die Fähigkeit der Aufmerksamkeit beschreiben, sich selbst mit Aufmerksam-keit zu betrachten: erkennt Ihre Aufmerksamkeit, dass Sie tatsächlich aufmerksam sind, dann wird diese erhöhte Form von Aufmerksamkeit als Achtsamkeit bezeichnet.
Als Übung: schauen Sie, worauf Ihre Aufmerksamkeit grade gerichtet ausgerichtet ist. Dann versuchen Sie, sich selbst bei diesem Vorgang aufmerksam zuzuschauen