Literatur

Frage:

Ist das höchste Ziel der Meditation, nämlich „Bodhichitta“ (Erleuchtung zum Wohl aller Wesen), anthropologisch gesehen denn ein realistisches Ziel?

Artikel-Auszug aus der „Zeit“ vom 22.12.2010 von Christian Schüle
Michael Tomasello vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie untersucht seit Jahren, worin die Einzigartigkeit des Menschen besteht, und widmet seinen Forschergeist, vornehmlich in Hinsicht auf den Nahrungserwerb, dem Unterschied zwischen Kindern und Menschenaffen und den Fragen: Tritt Altruismus auf natürliche Weise auf, oder ist er kulturell vermittelt? Und wie entstehen soziale Normen und Institutionen?
Entscheidend für Respektierung und Durchsetzung sozialer Normen sei nicht Altruismus, schreibt Tomasello, sondern „Mutualismus“, der Sinn für geteilte Intentionalität, durch den wir von unseren gemeinsamen Handlungen profitieren: das gemeinsame Ziel wird nur erreicht, wenn alle Partner profitieren. Wer schon vorher weniger konkurrenzorientiert und toleranter war, hatte, menschheitsgeschichtlich betrachtet, bei der Nahrungs-Suche einen Anpassungs-Vorteil.
Das … passt als empirische Grundierung bestens zum Gefühls-Regiment einer „empathischen Zivilisation“, die der US-Soziologe … Jeremy Rifkin Anfang dieses Jahres ausgerufen hat. Die Idee scheint … eine Blaupause für das Weltethos einer Zukunft zu sein, in deren geistigem Kosmos zwischenmenschlich sensibilisierte Bürger verstanden hätten, dass es durchaus klug wäre, ihren Egoismus für das höhere Ziel einer gemeinsamen Gratifikation einzugemeinden. (...) Menschlichkeit erhöht auf lange Sicht das Wohlbefinden. Aus Eigennutz ist der Mensch kein Egoist.

Frage: Was bewirkt Meditation hirnphysiologisch gesehen ?

Artikel aus der Süddeutschen, vom 30.11.2010, 11:47 Von Christian Weber

Meditation und Hirnforschung – Zähneputzen für das Gehirn

Forscher belegen die Wirkung der Meditation in Medizin und Psychotherapie – und ziehen die Grenze zu Esoterik und Erlösungsphantasien, die den Ruf der Disziplin schnell wieder beschädigen könnten.
Wer noch Zweifel hatte, dass die Meditation in der Mitte der Gesellschaft angelangt ist, wurde am vergangenen Wochenende in Berlin eines Besseren belehrt: Wenn sich ein gutes Dutzend, zum Teil hochkarätige Forscher und mehrere hundert Zuhörer im edlen Atrium der Deutschen Bank zu einem Kongress „Meditation und Wissenschaft“ versammeln, kann man kaum noch von einem unterdrückten Thema sprechen.
Erst recht nicht, wenn nur ein „glückliches, privates Ereignis“, verhindert, dass der Medizinclown Eckart von Hirschhausen eine angekündigte Begrüßungsansprache hält.
Es war ein Kongress, der vom beachtenswerten Potential der Meditation in Medizin, Psychotherapie und Wissenschaft kündete. Zugleich zeigten sich die weiterhin bestehenden Gefahren für diese Forschungsrichtung, nämlich die Entwicklung von Erlösungsphantasien, die den Ruf der Disziplin auch schnell wieder beschädigen könnten.
Besuch bei Yogis und Zen-Meistern
Mit einem Esoterik-Hautgout muss die Meditationsforschung seit ihren Anfängen leben, als die ersten Psychophysiologen in den 1960er Jahren zu den Yogis nach Indien und den Zen-Meistern nach Japan fuhren, um mit EEG und Blutdruckmessgerät die Parameter des meditativen Zustandes zu erheben.
Daran änderte auch das erste „Wetterleuchten der Meditationsforschung“ in den späten 70er Jahren nichts, wie es Dieter Vaitl von der Universität Gießen nannte. Zu sehr verband die Wissenschaft damals Meditation mit LSD-Kultur und Guru-Wesen: Maharishi Mahesh Yogi bekam zwar Besuch von den Beatles, aber weniger von Uni-Psychologen. Umso mehr beteuerte Vaitl: „Heute sind wir weg von der Esoterik.“
Viel verdankt die Forschung dabei der zunehmenden Verbreitung bildgebender Verfahren in der „Dekade des Gehirns“, die zur Jahrtausendwende ausgerufen worden war. „Seitdem man ins Gehirn schauen kann, boomt die Meditationsforschung“, resümiert Vaitl, der das Bender Institute of Neuroimaging in Gießen leitet. Mittlerweile erscheinen zwischen 200 bis 250 Studien pro Jahr zum Thema, und die Forscher haben sich von der Peripherie des Körpers in das Gehirn vorgearbeitet.
Ulrich Ott vom Bender Institute und seine Mitarbeiterin Britta Hölzel – derzeit in Harvard – resümierten die Ergebnisse: So belegten mittlerweile eine Handvoll Studien, dass Meditation nicht nur die Aktivität des Gehirns, sondern auch seine Struktur verändert – die Graue Substanz nimmt in den Regionen zu, die zuvor trainiert wurden.
Wer etwa durch einen sogenannten Bodyscan regelmäßig seine Körperwahrnehmung trainiert, bei dem wächst die Graue Substanz in den Gehirnregionen, die für die Repräsentation des gefühlten Leibes zuständig sind. Zu den Neuigkeiten des Kongresses gehörte eine von Hölzel vorgestellte Studie, die solche Effekte erstmals in einer zeitlichen Längsschnittsstudie vorstellte.
Die Ergebnisse sind umso eindrucksvoller, als dass viele der neueren Meditationsstudien lediglich auf einem Kurzzeit-Training der Probanden beruhen: Während die Pioniere der Meditationsforschung in den USA bevorzugt tibetische Mönche ins Labor luden, die bis zu 50.000 Stunden Meditationserfahrung hinter sich hatten, greift man heute oft auf Studenten zurück, die lediglich einen sogenannten MBSR-Kurs absolvieren.
Das ist eine von dem US-Mediziner Jon Kabat-Zinn entwickelte Methode zur „Mindfulness Based Stress Reduction“ – zur Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Die Teilnehmer erlernen in einem nur achtwöchigen Kurs verschiedene Techniken der Meditation, der Körperwahrnehmung und des Yogas.
Mehrere Vortragende berichteten, wie MBSR Psychotherapie unterstützen kann, Befindlichkeitsstörungen lindert und Ausgeglichenheit befördert. Sogar bei chronischen Schmerzen hilft MBSR, wie Stefan Schmidt, Komplementärmediziner an der Uniklinik Freiburg, anhand von Studien unter anderem bei Rückenschmerz und Migräne verdeutlichte.
Allerdings geht es weniger um Symptom-Abschwächung, sondern um den Umgang mit den Schmerzen: Wer entsprechend der Lehre der Achtsamkeit, dem Schmerz offen im Geiste begegnet, statt ihn zu vermeiden, der mindere zumindest sein Leiden, ohne es völlig zu beseitigen.
Angesichts solch vorsichtiger Befunde überraschte der Vortrag von Harald Walach, Leiter des umstrittenen Instituts für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Universität Viadrina. Er zeigte sich schwer konsterniert von einer U-Bahn-Begegnung, bei der ihm eine Frau aufgefallen war, die mit zwei Handys zugleich kommunizierte. Von dieser Anekdote ausgehend diagnostizierte Walach einen allgemeinen Kulturzerfall, aus dem er folgerte: „Wenn wir nicht alle jeden Tag eine halbe Stunde meditieren, sehe ich keine Zukunft für unsere Gesellschaft.“ Meditieren müsse deshalb so selbstverständlich werden wie das tägliche Zähneputzen.
Mag sein, dass ihm die Vertreter des esoterischen Schriftguts zustimmen, das beim Kongress in Stapeln herumlag. Die bessere Perspektive für die Forschung formulierte Tania Singer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, die Studien vorgestellt hatte, wie manche Menschen durch Meditation ihr Mitgefühl trainieren können. „Die Meditationsforschung steckt noch in den Kinderschuhen“, warnte Singer vor einer Selbstüberschätzung der Disziplin. „Wenn wir zu früh zu viele angeblich eindeutige und positive Ergebnisse bringen, schaden wir uns selbst.“

Frage: Was passiert beim Mantra-Singen zwischen uns?

Auszug aus Frankfurter Rundschau vom 30.11.2012 von Thorsten Harmsen:
Die Gehirne klingen zusammen 
 Forscher stellen fest, dass sich beim Musizieren übergreifende Netzwerke bilden
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Dieser alte Spruch beweist sich unter anderem im Zusammenspiel eines guten Fußballteams oder eines Orchesters. Verblüffend ist, das dies oft nicht nur die Koordinierung der Aktivitäten bedeutet. Nein, zwischen den Gehirnen der Mitspieler bilden sich sogar übergreifende Netzwerke aus. Dies haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin an Musikern nachgewiesen…: „Wenn Menschen Handlungen miteinander koordinieren, entstehen kleine Netzwerke innerhalb des Gehirns und bemerkenswerter Weise auch zwischen den Gehirnen,“  sagt Johanna Sänger, Erstautorin der Studie… Die Studie deutet darauf hin, dass die hirnübergreifenden Netzwerke solche Bereiche der Gehirne verbinden, die bereits zuvor mit sozialer Kognition und Musikproduktion assoziiert wurden.