Vielleicht fragt sich manche(r), Besucher(in) dieser Seite: Hä, Mantra-Singen und soziale Aktivitäten, wo soll denn da ein zwingender Zusammenhang sein? Nun, die Antwort gibt der Dalai Lama mit einem Gedanken, den ich schon immer frappierend fand; er lautet sinngemäß: Wenn es schon so ist, dass wir als Menschen auch egoistisch sind, dann sollten wir es wenigstens auf eine intelligente Weise sein! Ah ja, fragte ich mich damals neugierieg: und wie würde das dann aussehen? Hier die etwas ausführlichere Antwort:
Bei vielen Mantren drehen sich die Botschaften, die sie uns aus den Weisheitslehren aller Völker überbringen, um die Frage, wie wir als verkörperte Seelen auch unter den Bedingungen der materiellen Welt dauerhaftes Glück (Nitya ananda: „beständige Glückseligkeit“) erlangen könnten. Eine zentrale Frage, die uns Menschen unser ganzes Leben lang umtreibt!
Immer wieder wird dabei auf ein Haupthindernis für unser Glück verwiesen, nämlich die moderne Vorstellung des Individuums, aus der halt leider nicht nur die an sich wertvolle Befreiung aus der ehemals feudalistischen Fremdbestimmtheit hervorgegangen ist, sondern eben auch die epidemisch sich ausbreitende Idee der Getrenntheit der Menschen voneinander, mit allen schädlichen Folgen der Abschottung voneinander, der Fragmentierung der menschlichen Gemeinschaft in Grüppchenbildung, die in ihrer begrenzten Sicht nur ihre eigenen Interessen verfolgen.
Diese Idee, mit der wir modernen Menschen stark identifiziert sind, wird nun von den Weisen aber als glatte Illusion (Maya) angesehen: als Ausdruck einer Sinnes-Täuschung, einer verzerrten Wahrnehmung dessen, was jenseits davon die wirkliche Wirklichkeit ist! Die Idee der Getrenntheit wird deswegen in den alten Schriften und in den Mantra-Texten als die grundlegende Quelle des menschlichen Unglücks benannt wird.
Im Gegensatz zu der Idee der individuellen Existenz, in der jeder für sein eigenes Glück verantwortlich sein soll, steht hierzu die Vorstellung einer jeden individuellen menschlichen Form als Verkörperung eines geistigen Prinzips (Swarupa). Dieses geistige Prinzip ist das unseren visuellen Sinnesorganen verborgene Ganze, das uns alle miteinander in der Tiefe verbindet.
Das heißt, wir sind als Menschen verbunden, weil wir Teil dieses Ganzen sind. Rabindranath Tagore sagt es so: Wir drücken das erstaunlichste alles Paradoxen aus: Das Eine erscheint als Vielfalt, diese Erscheinung steht im Gegensatz zur Wahrheit und ist dennoch untrennbar mit ihr verbunden. Oder wie es Gandhi metaphorisch ausdrückt: Schließlich hat uns alle der gleiche Pinsel gemalt. Die Friedensbewegung sagt deswegen: We are one world!
Sehr schön kommt all dies in folgendem Mantra zum Ausdruck, das wir oft miteinander singen:
Loka-h samasta sukhino bhavantu, OM shanti…,
was soviel heißt wie: Verbunden mögen alle in dieser Welt glücklich sein!
Oder in einem moderneren Healingsong von Michael Stillwater:
One by one everyone comes to remember, we’re healing the world one heart at a time…
Diese Überzeugung in unserem Denken und in unseren Herzen, die wir singend zum Ausdruck bringen, realisiert sich auf wunderschöne Art an jedem einzelnen Abend, wenn wir zum Singen zusammenkommen, im Raum des „AHA“ in Tübingen-Lustnau.
Im Lauf der Jahre, in der unsere Gruppe eine gewisse Größe erreicht hat, ist mir nun oft der buddhistische Lehrsatz über die Einheit vom
Rechten Denken, rechten Sprechen, rechten Handeln
durch den Sinn gegangen, der besagt, dass wir uns selbst ( der Dalai Lama würde sagen „auf unintelligente Weise“!) schwächen, wenn wir diese Einheit nicht beachten! Von daher war es nicht weit zu dem Gedanken, dass wir unsere Glückserfahrungen beim Mantrasingen, die ja jedesmal aus der Einheit von
DENKEN: der Vorstellung der glücksspendenden Einheit,
REDEN (bzw. Singen): deren stimmlicher Lobpreisung und
HANDELN: Erfahrung einander zulächelnder Augen und herzlicher Umarmungen
erfolgt, über die Grenzen des AHA-Raums hinaus ausdehnen könnten! Aber wie? Aus dieser Frage schälte sich nach und nach der dem Ego zwar erst mal unsympathische, aber eben intelligente Gedanke heraus, dass zukünftig jeweils ein Drittel der „Abendkasse“ einem sozialen Projekt zugute kommen solle. Das war für mich ein echtes AHA-Erlebnis, der auch in der Gruppe auf Resonanz stieß!
Aus drei eingehenden Vorschlägen wählten wir dann nach dem unerwarteten Tod von Werner Jauch, unserem wunderbaren (Gitarren)-Begleiter, im April 2018 wie selbstverständlich das von ihm vorgeschlagene Projekt „Verein Hilfe für Westafrika e.V.“, auch um ihm in Liebe und Dankbarkeit ein bleibendes Zeichen zu setzen.